Das Wechselspiel zwischen Freigängerkatzen und verwilderten Samtpfoten hat viele mögliche Facetten
Wenn Kätzin Fiona nach ihrer täglichen Entdeckungstour zurück nach Hause kommt, sollte sie wünschenswerterweise weder krank noch trächtig sein. Doch sicher ist das nicht. Vielleicht ist sie auf einen verwilderten Artgenossen getroffen. Das Liebesspiel war kurz – doch leider folgenreich. Außer ihrer unerwünschten Trächtigkeit ist sie nun womöglich infiziert. Denn wild lebende Katzen sind oftmals ernsthaft krank. Sie übertragen unter sich und an Hauskatzen viele Viren, Bakterien und Parasiten. Der Speichel einer Katze kann beispielsweise die Viren von FIV (Katzen-AIDS) oder Leukose enthalten.
Wenn Fiona von einem daran erkrankten wilden Kater gedeckt wird, infiziert er sie folglich sehr wahrscheinlich mit seinem Liebesbiss. Ebenso kann Ihr unkastrierter Freigängerkater Max für Probleme sorgen. Durch ein Schäferstündchen mit einer Streunerkätzin drohen auch ihm Krankheiten; und ihr eine Schwangerschaft, durch die sie vielleicht stirbt. Oder ihre Kitten. Sie sehen: Das Wechselspiel zwischen Freigängerkatzen und verwilderten Samtpfoten hat viele mögliche Facetten. Und die meisten davon verheißen nichts Gutes.
Deshalb sollte die unkontrollierte Vermehrung von Katzen unbedingt durch Kastration verhindert werden. „Diese Botschaft senden wir schon seit Jahren, doch das Drama bleibt leider unvermindert bestehen.“, so Dr. Annett Stange, Leiterin Tierschutz der TIERSCHUTZLIGA.
Warum helfen Kastrationen allen Katzen?
Katzenhalter sollten sich dessen bewusst sein: Das Schicksal der herrenlosen Samtpfoten ist schrecklich. Meist leiden die Tiere massiv unter Hunger, Verletzungen und Krankheiten. Sie vegetieren in einem unablässigen Existenzkampf vor sich hin. Geschwächte Weibchen bekommen unablässig Kitten, übertragen ihre Krankheiten auf sie und können sie kaum füttern. Dazu Annett Stange: „Viele sterben schon früh, erleben zuvor jedoch fürchterliche Qualen. Und die, die gerade so überleben, bekommen bald schon wieder eigene Babys.“ So setzt sich das Elend immer weiter fort. „Deshalb verwenden wir sehr viel Energie darauf, verwilderte Katzen einzufangen, medizinisch zu versorgen und zu kastrieren.
Allerdings ist es für unsere Mitarbeitenden bei jeder neuen Kittenflut wieder eine unbeschreibliche Herausforderung, das kaum beschreibbare Leiden der Tiere miterleben zu müssen – und so oft nicht mehr helfen zu können.“ Umso schöner sind die Erfolge: Wenn ein junges Kätzchen nach Entwurmung, Impfung und Kastration gesund gepflegt worden ist und ein neues Zuhause bei lieben Tierfreunden gefunden hat. Dann sind die durchwachten Nächte und so manche Träne vergessen, die Freude ist umso größer. Für die wildlebenden Muttis und Kater gibt es die Perspektive eines Zuhauses, in dem sie künftig umsorgt werden, meistens leider nicht. Denn sofern sie nicht schon in Menschennähe gelebt haben, werden sie sich kaum zähmen lassen. „Doch immerhin päppeln wir sie auf, versorgen ihre Verletzungen und kastrieren sie. Nach einer Erholungsphase setzen wir sie dann am Fangort wieder aus, an dem sie dann auch weiterhin gefüttert werden.
Durch die Kastration verläuft ihr Leben nun friedlicher.“ Und für die Kätzinnen ist der andauernde Kreislauf von Schwangerschaften, Krankheiten und sterbenden Kitten beendet. „Um möglichst schnell die Situation der herrenlosen Katzen deutlich zu verbessern, haben wir von der TIERSCHUTZLIGA extra ein Kastrationsmobil ausgerüstet. Damit sind wir schnell vor Ort, sobald uns ein Hilferuf von besorgten Tierfreunden erreicht. Auch können wir damit die von uns initiierten Kastrationsaktionen sehr effizient durchführen“, so Annett Stange.
Wir unterstützen bei der Kastration
Doch eine bedeutende Rolle beim Eindämmen der jährlich wiederkehrenden Kittenflut spielen die Halter von Freigängerkatzen, indem sie sie kastrieren lassen. Immerhin kann eine Kätzin 2- bis 3-mal im Jahr Junge bekommen, deren Nachwuchs bereits nach rund vier Monaten die ersten eigenen Babys zur Welt bringt. So baut sich rasend schnell eine neue große Population von Katzen auf. Katzenhalter versuchen dann, die Kitten schnellstmöglich „irgendwie“ loszuwerden. Und für Kitten, die von verwilderten Müttern geboren wurden, beginnt nun die beschriebene Tortur.
Deshalb der Appell von Annett Stange: „Wer eine Kastration nicht selbst finanzieren kann, findet in einem unserer bundesweit 11 Tierheime Hilfe. Und Katzenhalter brauchen sich nicht zu sorgen: Sollten wir einmal einen gekennzeichneten Stubentiger einfangen, lassen wir ihn natürlich sofort wieder frei.“ Die Kastration von Katzen ist wirklich aktiver Tierschutz. Denn wenn die sehr hohe Population von Streunerkatzen nicht wesentlich sinkt, entsteht weiterhin Jahr für Jahr die gleiche Situation, die die Tierheime aller Tierschutzvereine in Deutschland massiv überfordert. „Für die Kolleginnen und Kollegen dort dürfte die Situation vergleichbar sein mit der in unseren Einrichtungen“, erklärt Annett Stange. „Täglich informieren uns aufmerksame Menschen über gesichtete Katzenbabys. Und das Prinzip ist immer das gleiche: Kaum haben wir aufgepäppelte Kätzchen vermittelt, kommt schon wieder ein großer Schwung neuer zu uns. Im Moment suchen wir für weit über 150 Katzen ein neues Zuhause. Zusätzlich zu den vielen Gnadenbrotkatzen, die bereits bei uns leben. Freier Platz ist daher kaum noch vorhanden.“
Kastration und Tierwohl: passt das zusammen?
Zwar ist es ganz natürlich, dass Katzen sich paaren – doch es gibt ganz einfach zu viele. Außerdem bedeutet es gerade für wilde Katzen großen Stress, rollig zu sein, also paarungswillig. Dann sprudeln in einer Kätzin die Geschlechtshormone nur so über. Sie rollt sich auf dem Boden herum und jammert. Nicht so gut für eine Streunerkatze, die unter Futtermangel leidet. Denn dadurch geschwächt, verliert sie durch die Rolligkeit viel von ihrer ohnehin geringen Kraft. Und Wohnungskatzen setzen dann alles daran, abzuhauen und einen Kater zu suchen. Kommt es nun zu einer Geburt, wächst ein weiteres Mal die ohnehin schon zu große Population.
Daher sollten auch reine Wohnungskatzen kastriert werden. Für unkastrierte freilebende Kater ist die Situation ebenso angespannt: Der Hormondruck veranlasst sie dazu, weite Strecken auf der Suche nach einem paarungsbereiten Weibchen zurück zu legen. Oftmals werden sie bei diesen Wanderungen überfahren. Oder sie führen heftige Kämpfe um Weibchen, die kräftezehrend sind und zu – teils lebensbedrohlichen – Verletzungen führen. Außerdem können dabei Krankheiten übertragen werden, die sich dann weiter verbreiten können. Eine Kastration ist daher für alle Katzen sehr gut.
Kastrieren oder sterilisieren?
„Bei einer Sterilisation werden nur die Eileiter durchtrennt. Das reicht nicht aus, weil dann eine Katze noch immer rollig und scheinträchtig werden kann“, so Annett Stange. Deswegen ist die Kastration für beide Geschlechter am besten. Dabei werden bei der Katze die Eierstöcke und oftmals auch die Gebärmutter entfernt, beim Kater die Hoden. Niemand möchte gerne seinem Liebling einen Eingriff zumuten. Doch dieser belastet Ihr Tier kaum und hilft ihm wirklich.
Vor allem ersparen Sie den Kitten, die nun nicht mehr geboren werden, die drohende unermessliche Qual. Und sollten Sie gerade darüber nachdenken, sich eine Katze anzuschaffen, dann bittet Annett Stange: „Wenden Sie sich am besten an uns. Vor allem über den Onlinehandel sollten Sie sich kein Tier anschaffen. Dann ist die Herkunft ungewiss und oftmals sind die Fellnasen krank. Wir hingegen beraten Sie, welches Tier am besten zu Ihnen passt. Und Sie können sicher sein, dass es gesund ist, geimpft und gechippt. So kann eine wunderbare langjährige Freundschaft bestens beginnen.“
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