Affen, Schildkröten, Wasservögel und viele andere Arten
„Von morgens an waren wir in Rufbereitschaft. Mittags wurden wir dann angefordert und fuhren mit zwei Fahrzeugen zum Gelände. Und dann haben wir das totale Chaos erlebt“, berichtet Brigitte Fuchs, Leiterin des Tierheims Wollaberg der TIERSCHUTZLIGA STIFTUNG TIER UND NATUR.
Sie soll dem Veterinäramt des Landkreises Passau dabei helfen, Tiere aus quälerischer Haltung zu befreien. Gehalten werden sie auf einem ehemaligen Kasernengelände in Kirchham bei Pocking.
Mehrere Amtstierärzte im Einsatz
Hunderte von Tieren sind betroffen. Im Tierheim Wollaberg werden schließlich 86 Hühner, 75 Hähne, 2 weibliche Truthähne, 2 männliche Truthähne, 1 Toulouser Gans, 1 große Ziege (Bock), 4 Zwergziegen (2 Böcke, 2 Weiblich) aufgenommen. Es ist eine richtig große Aktion, eine der größten dieser Art in der Geschichte des dortigen Veterinäramts. Sie läuft über zwei Tage hinweg und an zwei Standorten. Daran beteiligt sind außer dem Veterinäramt mit gleich mehreren Amtstierärzten auch die Abteilung für Natur- und Artenschutz am Landratsamt Passau, das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) sowie die Regierung von Niederbayern (Veterinärwesen).
Razzia im vergangenen Jahr
„Es gab bereits eine Vorgeschichte“, erklärt Brigitte Fuchs. Der Hintergrund: Ein Unternehmer erwirbt die ehemalige Kaserne der Bundewehr und will dort einen Zoo gründen. Er stellt Tierpfleger ein und siedelt auf dem Gelände Tiere an. Unter anderem Wasservögel, Affen, Reptilien, Ziegen und Schafe. Doch die Situation gerät aus den Fugen. Auf dem 174 Hektar großen Grundstück vermehren sich die Tiere unkontrolliert und brechen teils aus dem Gehege aus, beispielsweise asiatische Muntjakhirsche.
Nach etlichen Beschwerden von Tierschützern unternehmen im vergangenen Juli Vertreter der Behörden eine Razzia. Die entdecken gleich eine Reihe von Verstößen gegen das Tierschutzgesetz und stellen Strafanzeige. Sie beschlagnahmen lebende Schlangen und 30 tiefgefrorene Kadaver von Affen, Ziegen und Schafen. Laut Aussage des Pressesprechers des Landratsamtes, Werner Windpassinger, seien die Umstände der Rinder-, Schaf- und Ziegenhaltung grenzwertig gewesen, ebenso die Affenhaltung. Gravierende Mängel habe ebenfalls die Geflügelhaltung gezeigt, so berichtet im vergangenen Jahr die Lokalzeitung „Passauer Neuen Nachrichten“ (PNP). Die Behörden hätten dem Tierhalter mündlich die Beseitigung der Mängel angeordnet. Später wird ihm gegenüber ein Tierhalteverbot verhängt. Doch der Zoo bleibt bestehen.
Weiterhin schlimme Zustände
Weiterhin sind die Zustände auf dem Gelände schlimm. Deshalb soll in diesem Januar die Situation endlich beendet werden. Nach der Begutachtung der Kadaver stuft das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit die Zustände auf dem Areal als kritisch ein. Auch andere Analysen weisen darauf hin, dass sich die Verhältnisse der Tierhaltung nicht wie gefordert verbessert, sondern sogar verschlechtert haben. Deshalb wird die Auflösung der Tierhaltung beschlossen. Rechtliche Basis dafür ist das Tierschutzgesetz, wonach behördlich eingeschritten werden kann, sobald Tiere erheblich vernachlässigt oder ihnen unnötig Schmerzen und vermeidbare Leiden sowie Schäden zugefügt werden.
„Die Tiere waren über das gesamte riesige Gelände verteilt. Es war schwierig, sich überhaupt einen Überblick zu verschaffen und dann die Tiere einzufangen“, erinnert sich Brigitte Fuchs. Bereits im Vorfeld hat das Amt die riesige Schar der Tiere, darunter 40 Rinder, 300 Ziervögel, Tukane, Pfauen, mehr als 250 Nutz- und Wassergeflügel, Schafe, Zwergaffen, Schildkröten und weitere Reptilien unter mehreren Tierschutz-Organisationen und einem Tierhändler aufgeteilt. Die Reptilien, Hirsche, Rinder und Alpakas hat der Händler übernommen. Jedoch sind zwei Tiere in so erbärmlichen Zustand, dass sie sofort vor Ort eingeschläfert werden müssen. Das Landratsamt spricht von völlig unzureichenden Haltungsbedingungen. Beispielsweise sind Hunderte Wasservögel in Dusch-, Wasch- und Toilettenräumen der ehemaligen Kaserne untergebracht.
Hähne mit blutigem Kamm
„Wir wussten nur, welche Tiere wir übernehmen sollten. Aber nicht, was konkret auf uns zukommen würde. Und dann sahen wir das katastrophal untergebrachte Geflügel!“, so Brigitte Fuchs. Viel zu viele Tiere auf absolut zu engem Raum. Kein Wasser. Zerrupfte Tiere. „In einem Raum waren 40 oder 50 Hähne, die sich natürlich heftig bekämpft haben. Die hatten blutige Kämme. Ganz zu schweigen von dem sehr schlechten Ernährungszustand. Das war alles extrem grenzwertig.“
Zu dieser Eskalation ist es vermutlich gekommen, weil sich der Eigentümer nicht gekümmert hat. „Die Angestellten sind offenbar nicht mehr zur Arbeit erschienen. Es waren wohl auch zu wenige für zu viele Tiere. Ausreichend Futter und Heu war in den Gängen gestapelt, aber niemand hat es verteilt“, so Brigitte Fuchs. Am Folgetag holt sie dann noch die Ziegen von einem anderen Grundstück. „Die waren allerdings in recht gutem Zustand, weil sie von einer älteren Dame versorgt wurden.“
Halter uneinsichtig
Laut Bayerischem Rundfunk zeigt der Inhaber, ein Unternehmer, keinerlei Verständnis für die Beschlagnahmung. Er empfände das Eingreifen des Veterinäramts als unverhältnismäßig. Das Amt sei zu kritisch, auch bei anderen Tierhaltern. Die toten Tiere in den Tiefkühltruhen seien teils für einen Tierpräparator gedacht gewesen, teils auch als Futtertiere für die Reptilien. Er gehe davon aus, die Tiere nicht wiederbekommen zu können. Er wolle sie daher dem Freistaat Bayern schenken. Für ihn sei das Projekt Tierpark in Kirchham gestorben. Seitens der Behörde erwartet ihn nun wegen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetzt ein Strafverfahren. Für Landrat Raimund Kneidinger ist dieses koordinierte Vorgehen ein deutliches Signal, dass Verstöße gegen das Tierschutzgesetz konsequent verfolgt würden. Er dankt allen Beteiligten.
„Was ich dort erlebt habe, lässt sich nur schwer in Worte fassen“, sagt Brigitte Fuchs. „Wir hatten allerdings schon deutlich schlimmere Fälle. Diesmal war es vor allem die Vielzahl der verwahrlosten Tiere.“ Für das Tierheim Wollaberg besteht nun die größte Herausforderung darin, die 75 Hähne zu vermitteln. So viele zu halten, verlangt sehr viel Platz. Denn sie müssen auf Abstand gehalten werden, weil sie sich sonst unablässig bekämpfen. „Hühner lassen sich leicht vermitteln, doch Hähne will kaum jemand haben.“
Hinsehen und so Tierleid beenden
Glücklicherweise sind quälerische Tierhaltungen in dieser Dimension selten, da nicht so häufig jemand auf die Idee kommt, einen Zoo zu gründen. Doch in kleinerem Maßstab nimmt das Phänomen „Animal Hoarding“ zu: Die krankhafte Tierhortung durch psychisch kranke Menschen. Brigitte Fuchs: „Ich kann immer nur wieder betonen: Wenn jemand eine fragwürdige Tierhaltung erkennt, dann bitte nicht wegschauen! Melden Sie Ihre Beobachtung unbedingt an ein Veterinäramt oder eine Tierschutz-Organisation! Nur so können die Lebensbedingungen für die betroffenen Tiere verbessert und deren Leid beendet werden.“
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Update
Bis auf die Ziegen, die nun in Breitenberg wohnen, haben alle von uns aufgenommenen Tiere ein neues Heim gefunden.
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