Interview mit Susanne Eckardt

Nur entschlossenes Handeln kann Katzenelend verhindern

Frau Eckardt, jedes Jahr aufs Neue überschwemmt die Tierheime der TIERSCHUTZLIGA eine wahre Flut von wild geborenen Katzenbabys. Woran liegt das?

Wenn eine Katze im Frühling geboren wird, bekommt sie bereits im Herbst eigenen Nachwuchs. Dann weiterhin 2- bis 3-mal im Jahr bis zu 8 Kitten, von denen in der Regel 3 überleben. Und die werfen wenige Monate später ebenfalls wieder Nachwuchs. So setzt sich die Dynamik immer weiter fort und man kann sich leicht ausrechnen, wie die Population innerhalb kürzester Zeit unkontrolliert ihren Lauf nimmt.

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Aber man sieht doch wildlebende Katzen fast nie.

Das stimmt. Aber nicht, weil es nur wenige gibt. Vielmehr sind siesehr scheu, halten Abstand zum Menschen und sind nachtaktiv. Nur dann, wenn sie zum Beispiel auf verlassenen Bauernhöfen leben, gibt es Nachbarn, die die Zustände dort mitbekommen. Die bringen dann die meist sehr kranken Kleinen zu uns oder benachrichtigen uns, damit wir sie abholen.

Warum werden sie nicht von ihren Müttern ausreichend versorgt? Katzen sind doch Jäger!

Weil es Hauskatzen sind, die seit Jahrtausenden in der Obhut von Menschen leben. Die jagen mal zwischendurch eine Maus. Doch sie haben es verlernt, sich vollständig selbst zu versorgen. Außerdem leiden diese verwilderten Hauskatzen häufig unter Gendefekten aufgrund von Inzucht. Auch zehrt es sie aus, mehrmals im Jahr trächtigzu sein. Dazu kommen zahlreicheInfektionskrankheiten. Das Spektrum reicht von Katzenschnupfen bis hin zu FeLV (Leukose) und FIV (Katzenaids). Jede dieser Krankheiten verläuft ohne tiermedizinische Behandlung meist tödlich. Übertragen werden sie dann häufig beim Geschlechtsakt oder bei heftigen Katerkämpfen – auch auf Freigängerkatzen. Und wenn die Kitten während einer Schlechtwetterperiode geboren werden, erkranken sie oftmals sofort. Haben sie Glück, werden sie von einem Tierschutzverein aufgepäppelt. Andernfalls verenden sie elend nach nur wenigen qualvoll verbrachten Lebenswochen. Und das Muttertier wird bald darauf wieder mit den nächsten Jungen trächtig.

Aber im Tierheim geht es den geretteten Kätzchen dann doch gut?

Erst einmal: natürlich ja. Denn jetzt werden sie gefüttert und tierärztlich versorgt. Unsere Pflegerinnen und Pfleger füttern die Babys im 2 – 4 Stunden-Rhythmus, rund um die Uhr. Diese ganz jungen Kätzchen Krankheihaben dann auch noch eine Chance auf Vermittlung. Ganz anders ist die Perspektive für die schon etwas älteren Katzen. Denn die sind so scheu, dass sie kaum vermittelbar sind. Niemand möchte eine Katze haben, die sich nicht streicheln lässt. Sie bleiben dann meist bis an ihr Lebensende im Tierheim. Bei uns haben sie es zwar gut, doch sie dürfen nie wieder draußen herumlaufen. Das ist traurig.

Offenbar wird das Problem mit den Streunerkatzen nicht von allein verschwinden?

Nein, ganz bestimmt nicht. Die Kittenflut wird eher zunehmen, sofern die unkontrollierten Geburten nicht durch entschlossenes Handeln unterbunden werden.

Was muss denn geschehen?

Das Zauberwort heißt: Kastration. Wir werden nicht müde, es immer wieder in die Welt hinauszuposaunen. Die Botschaft an die Katzenbesitzerlautet: Lasst eure Freigängerkatzen unbedingt kastrieren. Und an die Kommunen: Unterstützen Sie die Kastrationen. Der Appell hat glücklicherweise bereits dazu geführt, dass zahlreiche Städte und Gemeinden Katzenschutzverordnungen erlassen haben (leider noch viel zu wenig und längst nicht flächendeckend, um das Problem zu lösen). Die Schutzverordnungen verpflichten Halter dazu, ihre Freigängerkatzen kastrieren zu lassen. Das ist ein guter Anfang, der bundesweit umgesetzt werden muss. Deshalb sollten tierliebe Menschen, die Streunerkatzen entdecken, bei ihrer Gemeinde oder Stadtverwaltung darauf hinweisen, damit das Problem auch dort vor Ort erkannt wird. Das ist in die Zukunft gerichtete Hilfe.

Welche Möglichkeiten hat die TIERSCHUTZLIGA, die Situation wenigstens zu entspannen?

Jedes Jahr werden uns Hunderte Kätzchen gebracht, die von uns versorgt, gesundgepflegt, geimpft, gechippt und natürlich kastriert werden. Außerdem legen wir uns auf die Lauer und fangen wilde Katzen ein, lassen sie ebenfalls kastrieren und medizinisch behandeln. Dann entlassen wir sie wieder am Fangort in ihre Freiheit.

Und trotzdem wächst die Population der Streunerkatzen so sehr?

Es ist tatsächlich eine Sisyphos- Arbeit. Damit wir den leidvollen Teufelskreis der unkontrollierten Fortpflanzung endlich unterbrechen können, stehen wir allen aufmerksamen Tierfreunden mit Rat und Tat zur Seite und erklären, wie sie diese zumeist sehr handscheuen Katzen am besten einfangen können. Und dann unterstützen wir sie im Rahmen unserer Möglichkeiten dabei, sie kastrieren zu lassen. Doch vor allem haben wir einen großen Plan: Wir möchten einenRettungswagen zu einem Katzen- Kastrationsmobil umbauen. Dann können wir in einem viel größeren Aktionsradius als bisher die verwilderten Katzen einfangen und vor Ort kastrieren und versorgen. Wir haben dafür sogar schon einen Sponsor. BISSELL, das führende Familienunternehmen für Haushaltsreinigungslösungen wird die Kosten für die ersten Kastrationen übernehmen. Diese Zusage ist schon mal sehr schön. Doch für den Rettungswagen fehlen uns noch Spenden. Personell ausgestattet wird dieses Mobil mit einem ausgebildeten Tiermediziner und einem Helfer. Sie fangen an den einschlägigen Orten die noch nicht kastrierten Katzen ein. Gechippte oder tätowierte Freigänger- Hauskatzen werden sofort wieder frei gelassen, die verwilderten Samtpfoten kastriert. Sie schlafen sich nach der Narkose im Wagen aus und können danach wieder ihrer gewohnten Wege ziehen. Zuvor werden sie auch noch mit Schmerzmitteln, Antibiotika und bei Parasitenbefall mit den notwendigen Präparaten versorgt. Die zu kranken Tiere nehmen wir mit, pflegen sie in einem unserer Tierheime gesund und setzten sie schließlich ebenfalls wieder zurück in ihren gewohnten Lebensraum.

Also geht es vorrangig um zwei entscheidende Dinge: Zum einen müssen die Kommunen aktiv werden. Und zum anderen können wir alle mit einer Spende künftiges Katzenelend verhindern?

Genau. Vorausgesetzt es wird gehandelt, ist alles eigentlich ganz einfach: Sobald flächendeckend Kastrationsverordnungen erlassen und Kastrationsaktionen durchgeführt werden, ebbt die Kittenflut als logische Folge ab. Und dann können wir unsere Tierschutzarbeit wieder auf die Problemfelder konzentrieren, die nicht so leicht zu lösen sind. Für uns wäre das ein wahrer Segen. Denn zu tun gibt es reichlich.

Vielen Dank für diese Informationen,
Frau Eckardt

Susanne Eckardt ist Leiterin derslider-danke-susanne Interview mit Susanne Eckardt
Katzenstation Thüringen, einem
der 11 Tierheime der TIERSCHUTZLIGA
STIFTUNG TIER UND NATUR.
Im Interview erklärt sie, wie das
qualvolle Schicksal der zahlreichen
Streunerkatzen entsteht – und beendet
werden kann.

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21.12.2021|