Aber was ist eigentlich ein „Angsthund“?
Zunächst unterscheidet man in der Hundepsychologie zwischen Furcht und Angst, während wir im Alltag zwischen diesen Begriffen eigentlich keinen Unterschied machen. Sehen wir uns nun beide Begriffe näher an.
Furcht bezieht sich auf eine ganz konkrete Ursache oder Situation, z.B. beim Menschen auf eine Spinne. Man kann darauf reagieren, man kann angreifen oder weglaufen.
Bei Furcht wird das Stresssystem aktiviert, Adrenalin (Fluchthormon) und Noradrenalin (Kampfhormon) setzen sich im Körper durch. Furcht bezieht sich somit auf eine tatsächlich vorhandene Person oder Sache, vor denen sich der Hund fürchtet, wie andere Hunde, Gegenstände, Umgebungen, Bewegungen, Geräusche.
Furcht kann in einer Phobie münden, wenn man z.B. auf die Spinne völlig übertrieben reagiert und tatsächlich in diesem Moment unfähig zu einer weiteren Handlung ist. Das Noradrenalin, das u.a. auch lernverstärkend wirkt, bewirkt hierbei, dass die übersteigerte Furcht zu einer Phobie führt.
Die gute Nachricht: Furcht kann der Hund bewältigen und überwinden. Durch Training und Gegenkonditionierung kann man dem Hund helfen.
Im Gegensatz zur Furcht ist die Angst ein unbestimmtes Gefühl für eine erwartete Bedrohung. Das Tier hat Angst, dass etwas Negatives, etwas Schlimmes passieren könnte, unabhängig von der Gegenwart einer Angst einflößenden Person oder Sache. Es muss keinen ersichtlichen Grund für diese Angst geben. Diese Angst macht den Hund oft handlungsunfähig, er reagiert nicht mehr und ist auch durch seinen Menschen kaum noch bzw. gar nicht mehr ansprechbar. Angst ist ein lang andauernder Zustand. Übergroße Angst kann in einer Panikattacke münden, verbunden mit extremen körperlichen Auswirkungen wie Zittern, Hecheln, Speichelfluss, erhöhtem Puls, Schweißausbruch an den Pfoten. Bei häufiger Wiederholung solcher Attacken ist es irgendwann nicht mehr die Angst vor einer Bedrohung, sondern bereits die „Angst vor dem Angstzustand“, die dem Hund zusetzt.
Die schlechte Nachricht: Angst ist ein wirkliches Problem, sie beeinträchtigt die Lebensqualität des Tieres und ist nur schwer zu behandeln.
Ursachen für Angstzustände
Fragen wir uns zunächst erst mal, welche Ursachen Angst bzw. Furcht haben können? Diese können genetisch, lern- oder erfahrungsbedingt sein.
Genetische Gründe:
Züchter bevorzugen bestimmte Wesensmerkmale einer Rasse und die genetische Disposition ist Grundlage der Verpaarung.
Stress der werdenden Mutterhündin während der Trächtigkeit wirkt sich auch auf den Fötus aus. Ebenfalls wirken sich ungünstige Lebensbedingungen der Mutter nach der Geburt negativ auf die Welpen aus.
Mangelnde Sozialisierung:
Die wichtigste Präge- und Sozialisierungsphase der Hundekinder liegt zwischen der 4. und 12. Lebenswoche. Die Habituationsphase dauert bis zur 16. Woche. In diesen Wochen lernt der Welpe seine unmittelbare belebte und unbelebte Umgebung kennen, er nimmt Kontakt zu seinem Menschen, zu seinen Geschwistern, zu anderen Tieren im Lebensumfeld auf, er lernt andere Menschen, Berührungen, Geräusche, Orte, Untergründe etc. kennen und gewöhnt sich in dieser Zeit am leichtesten daran. Hunde, die wenig oder nichts in diesem Zeitraum lernen, können sog. Deprivationsschäden davontragen, die sie ihr weiteres Leben begleiten.
Schlechte Erfahrungen und traumatische Erlebnisse:
Angst und Furcht können auch die Folge von schlechten Erfahrungen oder traumatischen Erlebnissen sein. Hierzu zählen auch Misshandlungen des Hundes wie Treten, Schlagen, körperliche Verletzungen.
Zu den traumatischen Erlebnissen zählt u.a. auch die Verbringung der Auslandshunde, Straßenhunde weg aus ihrem „freien“ Leben, transportiert in viel zu engen Boxen ohne Futter und Wasser, im eigenen Kot liegend in eine neue Heimat und in Lebensumstände, die nicht ihrem Naturell entsprechen, wie Menschennähe, Wohnungshaltung, Leinenführung usw.
Krankheiten und Schmerzen:
Krankheiten und Schmerzen beeinträchtigen ebenfalls die Stimmung und das Verhalten des Hundes. Sie lösen Ängste aus.
Wie helfe ich meinem Hund mit seinen Ängsten klar zu kommen und sie zu bewältigen?
Ganz wichtig! Wir arbeiten mit dem Hund an den Ursachen seiner Angst und nicht an den Symptomen. Das ist nicht leicht. Denn in den meisten Fällen kennen wir die Ursache dafür nicht. Hier ist nun Empathie gefragt und ganz besonders viel Geduld!
Am besten gehen wir das Problem zusammen mit unserem Vierbeiner „ganzheitlich“ an.
Ängstliche Hunde brauchen „starke Bezugspersonen“, Menschen, die ihnen Sicherheit und vor allem Führung geben und sie Vertrauen fassen lassen. Das heißt, dass der Hund klare Strukturen im Alltag braucht. Er benötigt Regeln, die ihm das Zusammenleben mit seinen Menschen erleichtern, Rituale und Gewohnheiten, klar definierte Räume, in denen er sich aufhalten darf. Und er braucht einen zweibeinigen Partner, der dies alles „liebevoll, aber ebenso konsequent“ durchsetzt und zwar durch ein ruhiges Auftreten, mit einem freundlichen Tonfall und einer klaren Körpersprache. Der Mensch muss ihm Sicherheit vermitteln. Zuviel Freiraum macht ihm Angst, zu schnelle, hastige Bewegungen, laute Stimmen verunsichern ihn. Ferner sollte der Mensch seinen Hund „lesen“ können. Gerade bei Angsthunden ist es wichtig, bereits frühzeitig die Körpersprache, mit der der Hund die aufsteigenden Angstzustände ankündigt, einfühlsam zu erfassen, um ihm dann auch sofort Unterstützung zu bieten.
Feste Ruhezeiten, mindestens zweimal am Tag ca. 2 bis 3 Stunden erholsamer Schlaf ohne Ablenkung sind sehr wichtig, um den, durch die Angstzustände geschwächten Körper zu regenerieren.
Mentale Entspannung durch Ruhe- und Entschleunigungsübungen und körperliche Entspannung durch Massagen und sanftes Streicheln beruhigen den Hund.
Gezielte Konfrontationsübungen mit einem guten Konfliktmanagement durch den Menschen können dem Hund helfen Wege aus seiner Angst zu finden. Wichtig dabei ist, dass die Erwartungsangst des Hundes dabei nicht erfüllt werden darf. Mit sozialer, ruhiger Unterstützung kann der Mensch die Eigeninitiative des Hundes fördern. Dabei soll der Hund lernen, den Konflikt durch Annäherung an seinen Menschen zu lösen, nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“.
Körperliche Bewegung und geistige Auslastung bringen den Vierbeiner auf andere Gedanken und sorgen für einen ruhigeren Gemütszustand ganz allgemein. Dabei sollte neben kürzeren Bewegungseinheiten wie Laufen, die geistige Auslastung im Vordergrund stehen. Sie macht den Hund zufriedener und ausgeglichener. Hier steht Nasenarbeit im Mittelpunkt. Der Hund darf Gegenstände suchen, Dummys oder Futterbeutel apportieren, Such- und Geschicklichkeitsspiele ausüben.
Aber auch die Ernährung des Hundes spielt eine wesentliche Rolle bei der Lösung von Verhaltensproblemen. Sie beeinflusst nicht nur die Gesundheit des Hundes, sondern auch sein Verhalten. Grundsätzlich sollte man qualitativ hochwertiges Futter verwenden. Ein wahrer „Glücksbotenstoff“ ist Serotonin, er ist der Stimmungsaufheller schlechthin. Deshalb sollten wir dem Gehirn mehr Serotonin zur Verfügung stellen.
Minderwertige Futtersorten enthalten oft viel Mais, der den Serotoninspiegel im Gehirn senkt, da Mais viel Tyrosin und leider wenig Tryptophan enthält. Letzteres ist die Vorstufe des dringend benötigten Serotonins. Serotonin ist ein Neurotransmitter, der für die Regulierung der Stimmung, des Erregungszustandes und der Schmerzempfindlichkeit zuständig ist. Ein Mangel an Serotonin führt zu Impulsivität, Aggression, Angst, Depressionen und Lernschwierigkeiten. Tyrosin dagegen verhindert die Aufnahme von Tryptophan. Das Hundefutter sollte deshalb auch wenig Protein enthalten (20%), weil eine proteinreiche Ernährung den Tryptophan-Spiegel im Gehirn senkt.
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