Zwischen Liebe und Ekel
Was für die einen der schiere Graus, ist für viele andere Hundeliebhaber ein pures Zeichen der Zuneigung. Schlabbern und lecken Hunde über Gesicht oder Hände ihrer Zweibeiner, löst diese feuchte Angelegenheit durchaus unterschiedliche Reaktionen bei uns Menschen aus.
Sicherlich haben vielen Hundehalter ganz unterschiedliche Auffassungen, geht es um die tierische Begrüßung des Vierbeiners durch einen nassen Hundekuss.
Reagieren die einen mit Abscheu und Unverständnis, gehört für die anderen das Abschlecken mitten durchs Gesicht oder über die Hände irgendwie dazu. Wer verstehen möchte, was das Lecken eines Hundes wirklich bedeutet, muss den Ursprung dieser durchaus natürlichen Verhaltensweise der Tiere genauer betrachten – und eben jener liegt in der Kinderstube und dem fürsorglichen Umgang der Hündin mit ihren Welpen.
Einblick in die Kinderstube
Es ist ein ewiger Kreislauf der Natur, der mit dem Trockenlecken der Welpen unmittelbar nach der Geburt beginnt. Neben dem notwendigen Aspekt der Körperpflege, dient das Ablecken der Neugeborenen zugleich auch der sofortigen engen Bindung zwischen Hündin und Welpen und bleibt fortan ein festes Ritual in der Beziehungspflege. Nach jedem Säugen werden die Kleinen nun von der Mutter abgeleckt – zum einen um die Verdauung der Welpen anzuregen, zum anderen aber eben auch um Bindung und Vertrauen zu stärken.
Im Laufe weniger Wochen nimmt die Häufigkeit des Säugens der Welpen ab und die Hündin beginnt mit dem Hervorwürgen von Futterbrei, einer wichtigen Zusatznahrung für die Minis. Auch dieser Vorgang der Nahrungsaufnahme wird durch das Lecken animiert. Diesmal sind es die Welpen, die mit ihren schlabbernden Zungen über den Mundwinkel der Mutter schlecken und damit nicht nur ihren Hunger signalisieren, sondern obendrein auch ihre Vertrautheit in die mütterliche Fürsorge sowie ihre Unterwürfigkeit zum Ausdruck bringen. Dieser überaus natürliche Vorgang bleibt im gesamten Verlauf eines Hundelebens ein ganz wesentlicher Bestandteil seiner sozialen Kommunikation.
Innige Kommunikation auf Hundeart
Nicht nur unter Artgenossen wird dieses wichtige Miteinander gepflegt, auch dem Zweibeiner gegenüber möchte der Hund seine Zuneigung und sein Vertrauen auf diese für ihn so selbstverständliche Art und Weise zeigen. Und so leckt der Vierbeiner mit Hingabe über die Hände oder auch mal über das Gesicht des Halters und macht ihm mit dieser positiven Geste deutlich, dass er ihm vertraut, sich wohl fühlt und seinen Menschen als Rudelführer akzeptiert.
Darüber hinaus dient das Abschlecken mitunter noch einem weiteren Zweck, nämlich der höflichen Aufforderung des tierischen Freundes an den Zweibeiner nach einer köstlichen Futtergabe oder einer liebevollen Streicheleinheit. Das normale Leck-Verhalten des Vierbeiners ergibt also durchaus Sinn und ist als Bindungs- und Nahrungsaspekt zu verstehen.
Hygienische Bedenken
Bedenkt man nun allerdings die Tatsache, womit die Hundezunge auf den täglichen Gassitouren so alles in Berührung kommt, ist es aus menschlicher Sicht durchaus nachvollziehbar, dass der tierische Liebesanfall – gerade im Gesichtsbereich – nicht immer auf ungeteilte Freude stößt. Die ablehnende Haltung mancher Tierbesitzer gegenüber der feuchten Zuneigungsattacke ist verständlich und besonders im Hinblick auf Kleinkinder ist eine gewisse Vorsicht ratsam.
Immer vorausgesetzt der Hund ist gesund und wird regelmäßig geimpft und entwurmt, sind Hundeküsse in der Regel ungefährlich. Doch wie so vieles im Leben stets seine zwei Seiten hat, besteht eben doch ein gewisses Restrisiko, insbesondere bei gesundheitlich geschwächten Menschen. Schnüffelt oder schleckt der Vierbeiner während des Spaziergangs an Aas oder Kot, können Wurmeier oder andere Kranheiterreger ein großes Gefahrenpotenzial darstellen und eine mögliche Übertragung schädlicher Keime kann die Folge sein.
Untersagen ist unangemessen
Mit dem Wissen, dass das Lecken des Hundes seiner ureigenen Form der Kommunikation entspricht und die Tiere damit u. a. ihre tiefe Zuneigung und Verbundenheit zum Ausdruck bringen, wäre es sicherlich falsch, ihnen diese feuchte Liebkosung gänzlich zu verbieten. Das Verbot würde lediglich zu einer Verunsicherung der Fellnase führen. Doch es muss ja nicht unbedingt das Gesicht des Menschen sein, was für den schlabbernden Hundekuss herhalten muss. Empfehlenswert ist es, das typische Verhalten des Hundes zu steuern und ihm alternativ nur die Hände zum Abschlecken anzubieten. In der Regel sind diese schnell mit Seife gewaschen und für den vierbeinigen Freund besteht dennoch die Möglichkeit, den überaus wichtigen wie auch lieb gemeinten Kuss seinem „Rudelführer“ aufzudrücken. So entgeht der Mensch dem Zungengeschlabber im Gesicht und dennoch bleiben Zwei- wie auch Vierbeiner gleichermaßen glücklich!
Was die Hundezunge noch so alles kann!
Wer sich im anatomischen Sinne einmal genauer mit der Hundezunge beschäftigt, wird erstaunt sein, zu welchen Leistungen das wohl vielfältigste Organ des Vierbeiners fähig ist. Mit äußerem Zungenmuskel, Zungenbein- und Zungenbinnenmuskel strotzt die Hundezunge förmlich vor Muskulatur und die übereinanderliegenden Muskelfasern sorgen für die enorme Beweglichkeit und bringen die Zunge in jede gewünschte Form. Sei es als Rohr, als Kelle oder als Greifer: die Hundezunge ist das Universalwerkzeug schlechthin und jederzeit einsatzbereit. Gerade einmal 1.500 Geschmacksknospen besitzt der Hund und kann damit wesentlich schlechter schmecken als wir Menschen mit unseren ca. 10.000 dieser Rezeptoren.
Zunge als Wärmeregulierer
Da Hunde nur über die Pfoten schwitzen können, ist die Zunge gerade in den heißen Sommermonaten ein entscheidender Temperaturregler, denn die erforderliche Abkühlung erfolgt über das Hecheln. Durch die erhöhte Atemfrequenz verdunstet Feuchtigkeit und lässt die Temperatur sinken. Was so einfach klingt, ist für das Tier mitunter sehr anstrengend, denn die verbrauchte Flüssigkeit muss der Hund unbedingt durch die Aufnahme von Wasser wieder zu sich führen. Unterbleibt diese äußerliche Flüssigkeitszufuhr, verdickt das Blut und der Körper des Tieres stellt automatisch das Hecheln ein. Dieser Prozess führt wiederum dazu, dass die Körpertemperatur des Tieres bedrohlich steigt und Lebensgefahr droht. Ein ganz wesentlicher Aspekt, weshalb Hunde bei hohen Temperaturen nicht alleine im Auto zurückzulassen sind.
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